Max Planck (1858-1947)

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  Das Wesen des Lichts

 

(Vortrag gehalten in der Hauptversammlung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft am 28. Oktober 1919.)

 

Es mag ein wenig aussichtsreiches, ja in gewissem Sinne vermessenes Unterfangen scheinen,

wenn ich in diesem weiteren Kreise, mitten in einer von aufregenden Krisen erschütterten Zeit,

während die vornehmsten Interessen und die besten Kräfte unseres ganzen Volkes nur auf den bitteren Kampf um seine Existenz und seine Weltgeltung eingestellt sind, den Versuch wage, Ihre Aufmerksamkeit auf kurze Frist für ein Thema rein wissenschaftlicher Art in Anspruch zu nehmen.

Aber eingedenk des gerade heute in mehrfacher Beziehung bedeutungsvollen Satzes, daß ein Gemeinwesen nur dann gedeihen kann, wenn auch an dem unscheinbarsten Posten ein jeder, unbeirrt durch äußere Verlockungen und Hemmnisse,

nach bestem Können seiner Pflicht nachgeht, ohne erst viel nach dem augenblicklichen Erfolg seiner Arbeit zu fragen,

habe ich die entgegenstehenden Bedenken überwunden und möchte nunmehr,

dem mir gewordenen ehrenvollen Auftrage folgend, mir erlauben, Sie zu einem gemeinsamen Gang in die lichten,

wenn auch für die meisten von Ihnen wohl etwas entlegenen Höhen der reinen Forschung, und zwar der physikalischen Forschung, einzuladen.

Empfiehlt sich die Wahl eines solchen Themas allgemeinwissenschaftlicher Art schon durch den äußeren Umstand,

daß in den praktisch so viel wichtigeren Gebieten der Technik und der Industrie die interessantesten neueren Probleme sich gegenwärtig aus mancherlei Gründen einer eingehenden Besprechung hier zur Zeit noch entziehen,

so wird es andererseits gerade im Sinne der Bestrebungen unserer Gesellschaft liegen, welche ja ihre vornehmste Aufgabe in der Gründung und Erhaltung naturwissenschaftlicher Forschungsinstitute erblickt,

wenn in ihren Tagungen die alte Wahrheit auch äußerlich Würdigung findet, daß,

wie auf allen Arbeitsgebieten, so auch in demjenigen, welches den Naturkräften gewidmet ist, dem Anwenden das Erkennen vorausgehen muß, und je feiner die Einzelheiten sind, in die wir der Natur auf irgendeinem Pfade folgen können,

um so reicher und nachhaltiger wird sich auch der Gewinn erweisen,

den wir aus unserer Erkenntnis zu ziehen vermögen.

In dieser Hinsicht ist unter allen Gebieten der Physik ohne Zweifel die Optik dasjenige,

in welchem die Forschungsarbeit am tiefsten vorgedrungen ist, und so möchte ich jetzt von dem Wesen des Lichts zu Ihnen reden, anknüpfend an vieles, was ohne Zweifel einem jeden von Ihnen seit langem geläufig ist,

aber auch Ausschau haltend auf neuere Probleme, welche auf diesem Gebiete gegenwärtig der Erledigung harren.

Die erste Aufgabe der physikalischen Optik, die Vorbedingung für die Möglichkeit einer rein physikalischen Theorie des Lichts, ist die Zerlegung des ganzen Komplexes von Vorgängen,

die mit einer Lichtwahrnehmung verbunden sind, in einen objektiven und einen subjektiven Teil.

Der erstere bezieht sich auf  diejenigen Vorgänge, welche außerhalb und unabhängig von dem empfindenden Organ,

dem sehenden Auge, verlaufen - diese, die sogenannten Lichtstrahlen, sind es,

welche die Domäne der physikalischen Forschung bilden -, der zweite Teil umfaßt die inneren Vorgänge, vom Auge bis zum Gehirn, deren Untersuchung auch in die Physiologie und sogar in die Psychologie hineinführt. Daß eine scharfe Trennung des objektiven Lichtstrahls von der sinnlichen Lichtempfindung überhaupt vollständig durchgeführt werden kann, ist keineswegs von vornherein selbstverständlich,  und daß sie im Grunde genommen eine sehr schwierige Gedankenoperation bedingt, beweist nichts besser als der Umstand, daß noch vor hundert Jahren ein gerade naturwissenschaftlich so reich veranlagter, aber der analysierenden Betrachtungsweise wenig geneigter Geist, wie es Johann Wolfgang von Goethe war, der das Einzelne nie ohne das Ganze sehen wollte, es zeitlebens grundsätzlich abgelehnt hat, jene Scheidung anzuerkennen.

Und in der Tat: Welche Behauptung könnte für den Unbefangenen einleuchtendere Gewißheit besitzen als die, daß Licht ohne ein empfindendes Auge undenkbar, ja Nonsens ist? Aber was in diesem letzten Satze unter Licht zu verstehen ist, um ihm einen unanfechtbaren Inhalt zu geben, ist etwas ganz anderes als der Lichtstrahl des Physikers. Wenn auch der Name der Einfachheit halber beibehalten worden ist, so hat doch die physikalische Lehre vom Licht oder die Optik,

in ihrer vollen Allgemeinheit genommen, mit dem menschlichen Auge und mit der Lichtempfindung so wenig zu tun,

wie etwa die Lehre von den Pendelschwingungen mit der Tonempfindung,

und eben dieser Verzicht auf die Sinnesempfindung, diese Beschränkung auf die objektiven, realen Vorgänge,

welche an sich ohne Zweifel ein bedeutendes, der reinen Erkenntnis zuliebe gebrachtes Opfer vom Standpunkt des unmittelbaren menschlichen Interesses bedeutet, hat einer über alles Erwarten großartigen Erweiterung der Theorie  den Weg geebnet und gerade auch für die praktischen Bedürfnisse der Menschheit reiche Früchte ungeahnter Art gezeitigt..."

 

 Max Planck, Wege zur Physikalischen Erkenntnis, S. Hirzel Verlag, 4. Auflage, Leipzig 1944. 85-97.

 

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 "Es gibt einen festen Punkt, einen sicheren Besitz,

den in jedem Augenblick ein jeder, auch der Geringste,

sein eigen nennen kann, einen unverlierbaren Schatz,

der dem denkenden und fühlenden Menschenkind  sein höchstes Glück,

seinen inneren Frieden gewährleistet und dem

 

daher Ewigkeitswert innewohnt:

Das ist - eine reine Gesinnung und ein guter Wille." 

 

Max Planck-Zitat aus: G.erhard Kehnscherper, Max Plancks Forderung an Theologie und Kirche ,

in: Hefte aus Burgscheidungen 44, 1960, S.25.

  

 

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                                                                                                                                                   Das Wissen richtet sich nach dem Gewussten

                                                                                                                  

 

                                       Max Planck:

                 Die Physik im Kampf um die Weltanschauung

                Vortrag, gehalten im Harnack-Haus, Berlin-Dahlem, am 6. März 1935.

 

 

                           Meine hochverehrten Damen und Herren!

                                                           […]

Es ist allgemein bekannt,

dass die Methoden der physikalischen Wissenschaft

sich wegen ihrer Exaktheit als ausnehmend fruchtbar erwiesen haben

und daher auch für die Geisteswissenschaften in gewisser Weise vorbildlich

geworden sind.Dann aber auch inhaltlich.

Wie eine jegliche Wissenschaft ursprünglich vom Leben ausgeht, so lässt auch die Physik sich tatsächlich niemals vollständig trennen von den Forschern, die sie betreiben, und schließlich ist doch jeder Forscher zugleich auch eine Persönlichkeit, mit allen ihren intellektuellen und ethischen Eigenschaften.

Daher wird die Weltanschauung des Forschers stets auf die Richtung seiner wissenschaftlichen Arbeit mitbestimmend einwirken, und es ist selbstverständlich, dass dann auch umgekehrt die Resultate seiner Forschung nicht ohne Einfluss auf seine Weltanschauung bleiben können. Dies für die Physik im einzelnen auszuführen, werde ich als die Hauptaufgabe meiner heutigen Ausführungen betrachten.

Ich hoffe also, wenn auch nicht sofortige Zustimmung, so doch wenigstens keinen direkten Widerspruch von Ihnen zu erfahren, wenn ich behaupte, dass auch die Physik im Kampf um die Weltanschauung eine Waffe,

und zwar eine sehr scharfe Waffe, zur Verfügung stellen kann.

 

Beginnen wir mit einer Überlegung allgemeinerer Art.

Eine jede wissenschaftliche Betrachtungsweise hat zur Voraussetzung die Einführung einer gewissen Ordnung in die Fülle des zu behandelnden Stoffes.

Denn nur durch eine ordnende und vergleichende Tätigkeit kann man die Übersicht über das vorliegende und sich unablässig haufende Material gewinnen,

welche notwendig ist, um die auftretenden Probleme zu formulieren und weiter zu verfolgen.

Ordnung aber bedingt Einteilung, und insofern steht am Anfang einer jeden Wissenschaft die Aufgabe, den ganzen vorliegenden Stoff nach einem gewissen Gesichtspunkt einzuteilen.

Aber nach welchem Gesichtspunkt?

Das ist nicht nur der erste, sondern, wie zahllose Erfahrungen gezeigt haben, sehr oft geradezu der entscheidende Schritt auf der Bahn, welche die Entwicklung der ganzen Wissenschaft einschlägt.

Hier ist nun von besonderer Wichtigkeit die Feststellung,

dass es einen bestimmten, von vornherein zweifellos feststellbaren Gesichtspunkt,

nach welchem eine endgültige, für alle Fälle passende Einteilung getroffen werden kann, in keinem Fall, in keiner einzigen Wissenschaft gibt,

dass man also in dieser Beziehung niemals von einem zwangsläufigen,

aus der Natur der Sache selbst entspringenden und von jeder willkürlichen Voraussetzung freien Aufbau einer Wissenschaft reden kann.

Über diesen Umstand müssen wir uns vor allem klar sein.

 

Er ist deshalb von grundsätzlicher Wichtigkeit, weil aus ihm deutlich hervorgeht, dass gleich am Anfang einer jeden wissenschaftlichen Erkenntnis eine Entscheidung über den Standpunkt der Betrachtung getroffen werden muss, zu deren Festsetzung sachliche Erwägungen nicht ausreichen, sondern Werturteile mit herangezogen werden müssen.

Nehmen wir ein einfaches Beispiel aus der reifsten und exaktesten aller Wissenschaften, der Mathematik. Sie behandelt das Reich der Zahlengrößen.

Um eine Übersicht über alle Zahlen zu gewinnen, liegt es wohl am nächsten,

sie nach ihrer Größe zu ordnen.

Dann stehen sich zwei Zahlen um so näher, je weniger sie sich

an Größe unterscheiden. Ich will nun zwei Zahlen nennen,

welche an Größe einander fast ganz gleich sind.

Die eine Zahl ist die Quadratwurzel aus 2, die andere Zahl ist der zwölfziffrige Dezimalbruch 1,41421356237. Die erste Zahl ist nur um wenige Billiontel größer als die zweite. Daher können die beiden Zahlen bei allen numerischen Rechnungen in der Physik wie in der Astronomie als völlig identisch behandelt werden.

Sobald man aber die Reihe der Zahlen nicht nach ihrer Größe, sondern nach ihrer Herkunft ordnet, klafft zwischen den beiden Zahlen ein himmelweiter Unterschied. Denn der Dezimalbruch ist eine rationale Zahl, er lässt sich ausdrücken durch das Verhältnis zweier ganzer Zahlen, während die Quadratwurzel irrational ist und jene Eigenschaft nicht besitzt.

Stehen sich nun die beiden genannten Zahlen nahe oder stehen sie sich nicht nahe? Ein Streit über die so gestellte Frage hätte ungefähr ebenso viel Sinn wie der Streit zwischen zwei Personen, die einander gegenüberstehen, über die Frage, welche Seite die rechte und welche die linke ist.

 […]

Wie steht es denn nun aber mit der Willensfreiheit, deren Primat uns doch durch unser Selbstbewusstsein, also durch die unmittelbarste Erkenntnisquelle, die es geben kann, mit aller Sicherheit verbürgt wird?

Ist auch der menschliche Wille kausal gebunden oder ist er es nicht?

Die so gestellte Frage ist, wie ich das schon wiederholt darzulegen versuchte, ein Musterbeispiel für eine Art von Problemen, die wir oben als Scheinprobleme bezeichnet haben, die nämlich genau genommen gar keinen bestimmten Sinn besitzen.

Im vorliegenden FaIle liegt die vermeintliche Schwierigkeit nur in einer unvollständigen Formulierung der Frage. Der wirkliche Sachverhalt lässt sich kurz folgendermaßen aussprechen.

Vom Standpunkt eines idealen alles durchschauenden Geistes betrachtet ist der menschliche Wille, wie überhaupt alles körperliche und geistige Geschehen, kausal vollständig gebunden. Dagegen vom Standpunkt des eigenen Ich betrachtet ist der auf die Zukunft gerichtete eigene Wille nicht kausal gebunden, und zwar deshalb, weil das Erkennen des eigenen Willens seIber den Willen immer wieder kausal beeinflusst, so dass hier von einer endgültigen Erkenntnis eines festen kausalen Zusammenhanges gar nicht die Rede sein kann.

Man könnte dafür auch kurz sagen: objektiv, von außen, betrachtet ist der Wille kausal gebunden, subjektiv, von innen, betrachtet ist der Wille frei.

Diese beiden Sätze widersprechen sich einander ebensowenig, wie die beiden einander entgegengesetzten Behauptungen über die rechte und linke Seite, von denen früher die Rede war. Wer dem nicht zustimmen will, der übersieht oder vergisst, dass das eigene Wollen dem eigenen Erkennen niemals restlos untertänig ist, sondern ihm gegenüber stets das letzte Wort behält.  

Es bleibt also dabei, dass wir auf den Versuch, die Motive unserer eigenen Willenshandlungen lediglich auf Grund des Kausalgesetzes, also auf dem Wege rein wissenschaftlicher Erkenntnis, vorauszubestimmen, grundsätzlich Verzicht leisten müssen, und damit ist ausgesprochen, dass kein Verstand und keine Wissenschaft genügt, um eine Antwort zu geben auf die wichtigste aller Fragen, die uns im persönlichen Leben überall bedrängen, die Frage: wie solI ich handeln? 

 […]

Freilich: über eines müssen wir uns von vornherein klar sein.

Die erstrebte Wirkung, ein endgültig befriedigender Zustand, wird und kann niemals voll erreicht werden. Denn auch die beste und reifste ethische Weltanschauung führt uns nicht bis hin zum Ziel idealer Vollendung, sie kann uns immer nur die Richtung zeigen, in welcher das Ziel zu suchen ist.

Wer das nicht beachtet, gerät leicht in die Gefahr, entweder der Mutlosigkeit zu verfallen oder aber an dem Wert der Ethik überhaupt zu zweifeln und dadurch,

gerade wenn er ganz ehrlich gegen sich sein will, sogar zu Angriffen gegen sie getrieben zu werden. Die Philosophien der Ethik geben manche Beispiele dafür.

Es ist eben in der Ethik genau wie in der Wissenschaft.

Das Wesentliche ist nicht der stabile Besitz, sondern das Wesentliche ist der unaufhörliche, auf das ideale Ziel hin gerichtete Kampf, die tägliche und stündliche Erneuerung des Lebens, verbunden mit dem immer wieder von vorn beginnenden Ringen nach Verbesserung und Vervollkommnung.

Ist aber nicht, so müssen wir uns doch schließlich fragen, ein solch fortwahrendes, im Grunde aussichtsloses Sichabmühen im höchsten Grade unbefriedigend?

Hat denn eine Weltanschauung überhaupt noch einen Wert, wenn sie denen, die sich ihr hingeben, nicht irgendwo im Leben wenigstens einen einzigen festen Punkt aufzeigt, der in den steten Noten und in der Unrast ihres Daseins einen unmittelbaren und bleibenden Halt gewahrt?

Wir wollen uns glücklich preisen, dass diese Frage sehr wohl eine bejahende Antwort zulässt.

In der Tat: es gibt einen festen Punkt, einen sicheren Besitz, den in jedem Augenblick ein jeder, auch der geringste, sein eigen nennen kann, einen unverlierbaren Schatz, der dem denkenden und fühlenden Menschenkind sein höchstes Glück, den inneren Frieden gewährleistet und dem daher Ewigkeitswert innewohnt.

Das ist - eine reine Gesinnung und ein guter Wille.

Diese beiden geben den festen Ankergrund in den Stürmen des Lebens, sie sind die erste Voraussetzung für wahrhaft befriedigendes Handeln und zugleich das wirksamste Schutzmittel gegen die Qualen nagender Reue.

Wie sie am Anfang einer jeden echt wissenschaftlichen Betätigung stehen,

so bilden sie den untrüglichen Maßstab für den sittlichen Wert eines jeden einzelnen Menschen.

 

Wer immer strebend sich bemüht,

 Den können wir erlösen.